Dass neues Leben durch Geschlechtsverkehr zwischen einer Frau und einem Mann entsteht, galt bis vor wenigen Jahrzehnten als unumstößliche Tatsache. Heute gibt es Fortpflanzungs methoden fernab jeglicher Sexualität. Diese Methoden bietet die Fortpflanzungsmedizin (auch Reproduktionsmedizin genannt). Das erste österreichische Retortenbaby wurde 1982 geboren. Weltweit sind es heute über eine Million Kinder, die ihr Leben der künstlichen Befruchtung verdanken. Die künstliche Befruchtung kann für manche Paare, die sich vergeblich ein Kind wünschen, die Lösung des Problems bedeuten.
Die moderne Fortpflanzungsmedizin beschränkt sich aber nicht auf den Versuch, unerfüllte Kinderwünsche zu erfüllen, sondern befasst sich auch mit embryonaler Stammzellen – forschung (Organzucht, neue Heilverfahren, Verhinderung von Erbkrankheiten) und der Präimplantationsdiagnostik (zytologische und genetische Untersuchung des Embryos vor Einpflanzen in die Gebärmutter).
Seit 1992 gibt es in Österreich ein Fortpflanzungsmedizin – gesetz, das bereits zwei Mal (2001 und 2004) geändert wurde.
Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung
Das Einbringen von Samen in die Geschlechtsorgane einer Frau
- Die Vereinigung von Eizellen mit Samenzellen außerhalb des Körpers einer Frau
- Das Einbringen von entwicklungsfähigen Zellen (das sind befruchtete Eizellen und daraus entwickelte Zellen) in die Gebärmutter oder den Eileiter einer Frau
- Das Einbringen von Eizellen oder von Eizellen mit Samen in die Gebärmutter oder den Eileiter der Frau
Gesetzliche Bestimmungen
- Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist in Österreich nur zulässig
> in einer Ehe oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft (eine alleinstehende Frau, die sich ein Kind wünscht, kann die medizinisch unterstützte Fortpflanzung nicht in Anspruch nehmen)
> wenn alle anderen möglichen und zumutbaren Behandlungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erfolglos oder aussichtslos sind (z.B. Fehlen der Eileiter, verminderte Zeugungsfähigkeit) oder die Herbeiführung einer Schwangerschaft durch Geschlechtsverkehr wegen der möglichen Übertragung einer schweren Infektionskrankheit nicht zumutbar ist.
- Samen, Eizellen, Hoden- oder Eierstockgewebe dürfen auch für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnommen und aufbewahrt werden, wenn ein körperliches Leiden (z.B. Krebs) oder dessen Behandlung mit der Gefahr verbunden ist, dass eine Schwangerschaft nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden kann.
- Für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung dürfen nur die Eizellen und der Samen des Ehegatten oder Lebens – gefährten verwendet werden. Ausnahme: Für die Methode Einbringen von Samen in die Geschlechtsorgane einer Frau darf der Samen eines Dritten verwendet werden, wenn der Ehegatte oder Lebensgefährte nicht fortpflanzungsfähig ist.
- Eizellen und entwicklungsfähige Zellen dürfen nur bei der Frau verwendet werden, von der sie stammen (keine Leihmutterschaft!).
- Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung darf nur FachärztInnen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, die zur selbständigen Berufsausübung berechtigten sind, und nur an einer dafür zugelassenen Krankenanstalt durchgeführt werden. Nur die Methode Einbringen von Samen in die Geschlechtsorgane der Frau darf auch in einer Ordination angewendet werden, sofern dabei der Samen des Ehegatten oder Lebensgefährten verwendet wird. Letzt genannte Methode ist dem Landeshauptmann/der Landeshauptfrau zu melden. Für alle anderen Methoden ist die Zulassung beim Landeshauptmann/der Landeshauptfrau zu beantragen. Die Zulassung ist zu erteilen, wenn die entsprechenden personellen, sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen vorhanden sind.
- Weiters muss die Möglichkeit zu einer ausreichenden psychologischen Beratung und einer psychotherapeutischen Betreuung gegeben sein.
- Vor Durchführung einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung haben die ÄrztInnen die EhepartnerInnen oder LebensgefährtInnen über die Methode sowie über die möglichen Folgen und Gefahren der Behandlung für die Frau und das gewünschte Kind eingehend aufzuklären und zu beraten.
- Einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung hat bei LebensgefährtInnen in jedem Fall, bei Ehepaaren nur, wenn der Samen eines Dritten verwendet wird, eine eingehende Beratung über die rechtlichen Folgen durch ein Gericht oder einen Notar/eine Notarin voranzugehen.
- Ehepaare müssen eine schriftliche Zustimmung zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung geben. Bei LebensgefährtInnen muss die Zustimmung in Form eines gerichtlichen Protokolls oder eines Notariatsaktes erteilt werden. Dies ist auch bei Ehepaaren erforderlich, wenn der Samen eines Dritten verwendet wird.
- Die Zustimmung darf zum Zeitpunkt der Einbringung von Samen, Eizellen oder entwicklungsfähigen Zellen in den Körper der Frau nicht älter als ein Jahr sein. Mann und Frau können ihre Zustimmung bis zur Einpflanzung in den Körper der Frau widerrufen.
- Entwicklungsfähige Zellen dürfen nicht für andere Zwecke als für medizinisch unterstützte Fortpflanzung verwendet werden.
- Eingriffe in die Keimzellbahn sind unzulässig.
- Ein Gemisch von Samen verschiedener Männer darf nicht verwendet werden.
- Es dürfen nur so viele Eizellen außerhalb des Körpers befruchtet werden, wie es aussichtsreich und zumutbar ist.
- Die Zurverfügungstellung von Samen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung darf nicht Gegenstand eines entgeltlichen Rechtsgeschäfts sein.
- Die Daten aller beteiligten Personen müssen schriftlich aufgezeichnet und aufbewahrt werden. Dem mit dem Samen eines Dritten gezeugten Kind ist auf dessen Verlangen nach Vollendung des 14. Lebensjahrs Einsicht in die Aufzeichnungen zu gewähren.
- Präimplantationsdiagnostik – die Untersuchung künstlich erzeugter Embryonen vor dem Einpflanzen in die Gebärmutter (auf Gen-Defekte, auf das Geschlecht) – ist in Österreich nicht erlaubt.
Mutterschaft
Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat.
Vaterschaft
Hat der Ehemann gerichtlich oder notariell der medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten zugestimmt, gilt das Kind als sein eheliches.
Ein Dritter, dessen Samen verwendet wird, gilt nicht als
Vater des Kindes. Es gibt weder Erb- noch Unterhaltsrechte.
Kosten und Finanzierung
Ein Behandlungsdurchgang kostet rund € 1.500,– (ohne Medikamente), und nur selten gelingt schon der erste Versuch. Wenn ein Paar mit Kinderwunsch bestimmte Voraussetzungen erfüllt und die Behandlung erfolgversprechend ist, hilft der Staat finanziell mit. Der IVF-Fonds übernimmt 70 Prozent der Kosten für die ersten vier Versuche einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung.
WICHTIG
Es gibt keine Erfolgsgarantie. Eine fortpflanzungsmedizinische Behandlung kann für ein Paar, insbesondere für die Frau, zu einer großen körperlichen und seelischen Belastung werden. Es besteht die Möglichkeit psychologische Beratung und Begleitung in Anspruch zu nehmen.
NACHLESE
Den kompletten Text des Fortpflanzungsmedizingesetzes finden Sie im Rechtsinformationssystem (RIS): www.bka.gv.at (Rechtsinformationssystem – Bestehendes RIS – Bundesrecht Geltende Fassung – Suchworte: Fortpflanzungsmedizingesetz)